Redewendungen und Zitate genauer betrachtet #1 – Aller Anfang ist schwer

Roland Engert

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Weisheiten + Zitate

erstellt am:

In Überschwang habe ich letzte Woche die neue Blogserie über Zitate, Lebensweisheiten, Eselsbrücken und Redensarten angekündigt. Freitag ist in diesem Blog ab jetzt Tag der Erkenntnis.

Lange habe ich überlegt was ich denn im ersten Artikel für eine Weisheit nehme. Es sollte was bekanntes sein und etwas das passt. Da gibt es nur eine Volksweisheit – [highlight background=”#f8c837″]Aller Anfang ist schwer.[/highlight]

Ich habe mich nicht lumpen lassen (Redewendung) und versucht die Lebensweisheit so genau wie möglich unter die Lupe zu nehmen (schon wieder eine Redewendung).

Vom Anfang und vom anfangen

Zunächst mag das kaum einen Unterschied darstellen, doch es gibt einen. Der ist ziemlich gravierend und stellt die Lebensweisheit sogar in Frage.

Der Anfang, der Beginn einer Sache ist die Idee, anfangen ist das handeln dazu. Gerne teile ich für mich eine Idee bis zur Umsetzung in 3 Schritte ein, Idee – Wort – Tat.

Es ist der Spannungsbogen vom geistigen zum körperlichen. Das eine kann ohne das andere nicht. Ein Anfang ist genauso endgültig wie ein Ende.

Schöpfungsakt Idee – Wort – Tat

Zuerst kommt die Idee, dann die Formulierung in Worten (Bild, Zeichnung), danach kommt die Tat die das umsetzt. [highlight background=”#f8c837″]Der Anfang liegt in der Idee. Anfangen ist die Umsetzung der Idee, alles was nach der Idee kommt.[/highlight]

Nun kann man sich natürlich fragen ob die Idee und Geistesblitz ein Anfang im herkömmlichen Sinn ist. Denn dieser Vorgang ist kein bewusster Vorgang.

Eine Idee / Gedanke hat zwar eine Ursache, ist aber immer unbewusst. Zum Beispiel weil man ein Problem mit sich herumträgt (hier greift das universelle Gesetz: Ursache und Wirkung).

Eine Idee ist etwas das man nicht anfangen kann wie einen Acker pflügen oder einen Roman schreiben. Eine Idee hat man, die Idee ist der Anfang.

Ich habe noch niemanden sagen hören “Ich fange jetzt an eine Idee zu haben”.

Falls jemand meint “Moment, gleich habe ich eine Idee…”, dann ist der Schritt zur Tat schon gegangen. Hier ist die Suche nach einer Idee schon das anfangen. Der Anfang war früher, nämlich im Gedanken eine Lösung zu suchen. Derjenige hat also die Idee gehabt (Anfang) eine Idee zu suchen und sucht jetzt eine Idee (anfangen).

Alles was nach der unbewussten Idee kommt ist anfangen. Egal ob ich anfange die Idee auszuformulieren und sie vor dem geistigen Auge entstehen lasse und erst recht die Umsetzung der Idee, also die Tat. Das sind alles bewusste Dinge nach der unbewussten Idee – Gedanken.

Daraus könnte man [highlight background=”#f8c837″]”ohne Anfang kein anfangen”[/highlight] ableiten (huch, ich habe eine Weisheit kreiert, also gleich mal mein Urheberrecht darauf reklamieren). Anfangen bedingt eines Anfanges oder auch: der Weg vom Unbewussten zum bewussten Tun.

Verwirrt und aufgehört meine Gedanken nachzuvollziehen? Nochmal in Kurzform.

Es gibt einen Anfang einen unbewussten Vorgang, das ist die Idee. Wenn jemand meint er suche eine Idee (z.B. Lösung zu einem Problem) dann ist das schon Schritt zwei, nämlich anfangen, ein bewusster Akt.

[highlight background=”#f8c837″]Der Anfang (Gedanke, Idee) ist ein nicht wissentlicher, unbewusster Vorgang[/highlight]. Der wissentliche, bewusste Vorgang ist alles danach, gehört also zum anfangen.

Muß ich mir all dieses theoretische Gedöns merken, oder kann ich endlich anfangen?

Nein, merken muß man sich von meinen Gedanken nichts. Lediglich wichtig ist der Dreiklang Idee – Wort – Tat. Dabei kann man TAT gar nicht groß genug schreiben.

Ideen hat man viele. Dem Tonklumpen Idee Worte und Bild folgen zu lassen ist schwierig. Die Königsklasse jedoch ist die Umsetzung.

Korrekt müßte die Weisheit [highlight background=”#f8c837″]”anfangen ist schwer”[/highlight] lauten. Man könnte es aber auch als Einheit sehen. Idee und Umsetzung sind eines, denn [highlight]eine Tat kann es ohne Idee nicht geben und ohne Idee gibt es keine Tat[/highlight]. Der Ursprung ist immer der Anfang, wie soll es auch anders sein. Ohne Anfang geht nichts, ohne Ende ist der Anfang nichts wert.

Man sollte “aller Anfang ist schwer” als den kompletten Schöpfungsakt verstehen, von der unbewussten Idee als Anfang bis zur bewussten Tat.

Der gesamte Schöpfungsakt, von der Idee bis zur fertigen Idee beinhaltet natürlich mitunter viele Ideen. Ein komplexes Problem stellt einen immer wieder vor neue Probleme.

“Aller Anfang ist schwer” im Alltag

Nach dem theoretischen Teil, der versucht Anfang und anfangen voneinander zu trennen wenden wir uns dem Alltag zu. Denn da trennt man die Lebensweisheit nicht in Anfang und anfangen auf, sondern wendet die Weisheit auf alles mögliche an, wenn auch genau genommen häufig verkehrt.

Beispiel: Gehe ich in ein Fitnessstudio und habe keine rechte Lust, so wird mir der Anfang schwer fallen. Ich muß die Steuererklärung machen und habe gar keinen Nerv dafür, auch hier wird der Anfang schwer fallen.

STOPP – was haben wir gelernt? Das ist nicht der Anfang, sondern das anfangen. Hat man angefangen wird es leichter (Stichwort – Redensart: Schweinehund überwinden). Der Anfang weshalb ich gerade meinen Schweinehund überwinden muss liegt ganz woanders.

Hier zeigt sich eine andere Facette der Weisheit. Sie spricht Selbstdisziplin als Tugend an. Sie sagt: Man muß sich überwinden – denn es wird anfänglich schwer.

Das tröstliche in der Weisheit / Redensart “aller Anfang ist schwer”

Nun spricht die Weisheit von schwer. aber sie sagt auch “danach wird es leichter” (Redensart: Wenn es erstmal läuft dann läuft es).

[highlight background=”#f8c837″]Die Redensart ist im Grunde ein Mutmacher, eine Motivation.[/highlight] Sie weist den Weg von schwer nach leicht und soll uns zur Tat schubsen, auch wenn es schwer fällt. Denn das schwer fallen ist eine natürliche Sache.

Verwandt könnte damit sein “Übung macht den Meister”. Denn wenn ich etwas öfter tue habe ich eine gewisse Routine das mir das Schwere abnimmt. Man weiß wie es geht.

Bei weitem fällt einem nicht alles schwer. Fällt mir spontan ein einen Fischteich zu bauen, so kann das ganze Projekt mir leicht von der Hand gehen, weil es mir Spaß macht. Die Idee war superleicht, danach kommt die Planung und die körperliche Arbeit. Doch ist es im Verhältnis zum Anfang, der Idee, ein schwerer Akt bis zur Fertigstellung. Vor allem wenn er nicht gleich nächsten Sommer umkippen soll und für Fische unbewohnbar werden soll (auch hier spielt wieder Können und das meisterliche rein).

Schwer ist relativ, wobei anfangen (Idee umsetzen) immer schwerer als der Gedanke ist.

Vermeidungsstrategie

Es gibt natürlich jede Menge Vermeidungsstrategien um das schwere am Anfang  zu vermeiden.

[rp]Komplettverweigerung – im Falle des Fitnessstudios kann man sagen “Sport ist Mord” oder erzählt was von “wer Muskeln hat, hat nix in der Birne”. Damit legt man sich Ausreden zu um mit dem Schweren nicht in Berührung zu kommen.

[rp]Teilhilfe – im Falle der erwähnten Steuererklärung kann man sich durch einen Steuerberater oder Steuerhilfeverein unter die Arme greifen lassen. Diese haben das “aller Anfang ist schwer” überwunden und sind durch Übung zum Meister geworden. Man arbeitet lediglich zu, was allerdings schon schwer genug sein kann.

[rp]unnötig schwer machen – man kann sich auch etwas unnötig schwer machen um hinter her zu sagen, das funktioniert nicht. Das ist eine indirekte Vermeidungsstrategie um zu einer Lösung zu kommen. Man kann zum Beispiel die Belege für die Steuererklärung nicht nur nach Datum sortieren, sondern innerhalb eines Datumraumes auch noch nach Größe und Farbe.

Sich selbst ein Bein stellen oder Steine in den Weg legen wären die entsprechenden Redensarten dazu.

Schluß mit Palaver – mein Fazit

[rp]Die Weisheit hat schon viele Jahre auf dem Buckel und lässt sich bis ins lateinische zurück verfolgen – Omne principium difficile!

[rp]Hinter Aller Anfang ist schwer verbirgt sich wesentlich mehr als man zunächst vermuten könnte. Es ist ein ganzes Bündel an Erkenntnissen und wird begleitet von mehreren Redensarten die sich daraus ableiten lassen, zumindest zum selben Themenfeld passen.

[rp]Genau genommen müsste das Zitat [highlight background=”#f8c837″]”anfangen ist schwer”[/highlight] lauten. Doch mit Anfang ist wohl alles gemeint, von der Idee bis zur Umsetzung. Wenn man dem Wort anfangen etwas auf den Zahn fühlt wird man über “anvāhen” (Mittelhochdeutsch) und “anafāhan” (Althochdeutsch) stolpern. Das bedeutet so viel wie “anfassen” oder “anpacken”.

[rp]Da viele das Schwere zu meiden suchen, auch ich bin kein Fan von ständigen Problemen, gibt es Vermeidungsstrategien. Hier weißt uns die Lebensweisheit auf die Natürlichkeit der Schwere hin, es ist überall so. Die Lebensweisheit appeliert sozusagen an die Tugend der Selbstdisziplin und mahnt uns dass man es hinnehmen muss.

Das Sprichwort führt uns vor Augen dass es natürlich ist, dass ein Anfang, etwas Neues oder Ungewohntes schwer zu bewältigen ist, aber das scheint nur anfänglich so. Danach wird es leichter. Es folgt sozusagen die Belohnung wenn man die Anfangshürden überwunden hat.

[rp]Dazu kommt dass Schwer relativ ist. Das kommt immer auf den Standpunkt an. Ist eine Idee etwas das mich mit Leidenschaft erfüllt wird es mir relativ leicht fallen die sich auftuenden Hürden zu überwinden. Allerdings ist das anfangen (die Tat, die Ausführung der Idee) immer schwerer oder aufwendiger als der Gedanke selbst.

[rp]Ein weitere Redewendungen dazu wären:

  • Das Schlimmste ist hinter dir wenn man den Anfang geschafft hat
  • Learning by doing
  • Fang erstmal an, dann siehst du weiter

Falls euch noch etwas zu der Volksweisheit “Aller Anfang ist schwer” einfällt, immer her mit den Ideen. Für mich war das der erste Artikel in der Kategorie Zitate + Weisheiten. Der Anfang, besser das anfangen mit dieser Artikelreihe war ganz schön schwer, hat aber Spaß gemacht. Aller Anfang ist schwer ist schwergewichtiger als man vermuten könnte.

4 Gedanken zu „Redewendungen und Zitate genauer betrachtet #1 – Aller Anfang ist schwer“

  1. Vielen Dank für das Lob. Das war tatsächlich viel Arbeit. Vor allem ergab sich immer wieder was und man mußte umschreiben. Ich wollte so umfänglich wie möglich sein. Dann wünsche ich viel Energie für deinen Anfang. Denke daran, das “Schwere” ist eine natürliche Hürde – es wird leichter 🙂

  2. Hallo Roland,

    den Freitag als Tag der Erkenntnis finde ich super! Da freu ich mich ja auf ganz viele tolle Denkanstöße wie den hier zum Anfangen.

    Mach bitte weiter so, so ausführlich und gut recherchiert, angereichert mit deinen eigenen Gedanken und Ideen!

    Ich freu mich also auf mehr! 🙂

  3. Vielen Dank für das Lob 🙂
    Finden tust du die gesammelten Werke unter dem Menüpunkt “Stöberkiste”.
    Ein zweiter Artikel ist bereits hinzu gekommen. Der für diesen Freitag ist schon in der Mache. Was es aber ist verrate ich nicht.
    Nur soviel, diesmal macht ein befreundeter Blog mit. Wir haben beide das gleiche Thema und jeder schreibt für sich. Wir wollen sehen was dabei rauskommt.

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